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Aus der Zeitschriftforumpoenale Sondernummer/2020 | S. 165–165Es folgt Seite №165

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Einem an sich selbstverständlichen rechtsstaatlichen Grundsatz folgend, dürfen Strafbehörden zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel einsetzen, «die rechtlich zulässig sind» (Art. 139 Abs. 1 StPO). Der Grundsatz der Rechtmässigkeit war dem Gesetzgeber aber doch nicht wichtig genug, um ihn uneingeschränkt gelten zu lassen, denn nach Art. 141 Abs. 2 StPO können zur Aufklärung schwerer Straftaten auch Beweise verwertet werden, welche die Strafbehörden nicht nur unrechtmässig, sondern sogar in strafbarer Weise erhoben haben. Das ist ein bemerkenswerter Eingriff des Gesetzgebers in verfassungsmässige Rechte Betroffener, der ausgerechnet in Fällen zum Tragen kommt, in denen ihnen besonders harte Repression droht.

Sich über solche gesetzgeberischen Fehlleistungen zu echauffieren, würde aber bloss von anderen Problemfeldern ablenken. Dazu gehört, dass für die Verteidigung und die Gerichte trotz gesetzlicher Vorschriften über die Führung von Akten und Verfahrensprotokollen oft nicht nachvollzogen werden kann, woher Ermittlungsansätze stammen, welche die Beweiserhebungen erst möglich gemacht haben. Der in Polizeirapporten immer wieder anzutreffende «Hinweis einer anonymen Quelle» ist möglicherweise nichts anderes als das Ergebnis einer nicht dokumentierten widerrechtlichen Beweiserhebung. Dabei kann es sich beispielsweise um eine unzulässige Observation handeln oder um eine nicht genehmigte Überwachung. Die Tatsache, dass eine Beweisführung nicht lückenlos nachvollziehbar ist, begründet zumindest eine natürliche Vermutung, sie sei wenigstens teilweise widerrechtlich erfolgt, zumal kein valabler Grund dafür ersichtlich ist, eine rechtmässig angeordnete und durchgeführte Beweiserhebung nicht zu dokumentieren.

Das Sonderheft befasst sich aber nicht mit Beweisen, die von den an Gesetz und Verfassung gebundenen Behörden erhoben werden, sondern um Beweise, welche den Behörden von Privaten ins Nest gelegt werden. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen solche «Kuckuckseier» im Strafverfahren verwendbar sind, wird die Diskussion mit fortschreitender Digitalisierung prägen, zumal Private eine Vielzahl von digitalen Informationen erheben und sammeln können, die den Strafbehörden nur sehr beschränkt zugänglich sind. Entsprechend gross ist die Versuchung, die Erhebung strafrechtlich relevanter Information an Private auszulagern, welche nicht Adressaten einengender strafprozessualer Vorschriften sind.